Jetzt wird doch eine Motorüberholung fällig

Motor-Vergaser-Antrieb
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Teddy
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Jetzt wird doch eine Motorüberholung fällig

Beitrag von Teddy »

Bevor ich euch mit meinen Problemen belästige, wünsche euch erst mal ein frohes neues Jahr!
Letzten Winter hatte ich das Fahrwerk bei meinem damals neu erworbenen 103A1 überholt. Diesen Winter wollte ich den Motor, der eigentlich ganz gut lief aber etwas undicht war abdichten!
Beim Ventile einstellen hatte ich schon gesehen, dass die Zylinderkopfschrauben nicht abgedichtet waren. Da der Motor gut lief und 9,5 Bar Kompression hatte sah ich zunächst keinen weiteren Handlungsbedarf. Ich dachte, das ist schnell erledigt, aber weit gefehlt! Man muss noch dazu sagen, dass die letzte Motorrevision vor 3000km war, aber vor 25Jahren.
Um zu sehen ob es noch weitere Undichtigkeiten im Zylinderbereich gibt, habe ich die Luftleitbleche abgeschraubt. Jetzt konnte ich schon sehen das zumindest die Zylinderkopfdichtung auch undicht war.
Bei der Demontage gab es dann noch weitere Überraschungen:
1.
An der Unterseite des Reglers war der Widerstand ziemlich an gegammelt, aber wohl noch OK den die LIMA lädt problemlos.
2.
Nach öffnen des Ventildeckel sah ich das eine Zylinderkopfschraube gekontert war. Es stellte sich heraus, dass die untere Schraube (13er mit kleiner Scheibe) übergedreht war. Gott sei Dank war der Stehbolzen noch i.O.
3.
Kipphebel.JPG

Beide Kipphebel sind auf der Ventilseite eingeschlagen, Wellen und Wellenspiel sind OK. Ob man die noch verwenden kann?
4.
Stoßstangen.JPG

Die Stößelstangen hatten am Übergang zum Zylinderkopf Einkerbungen, sie lagen hier ganz dicht am Zylinderkopf. Ob man die noch verwenden kann?
5.
Einlassventil.JPG

Das Einlassventil hat nach meiner Ansicht auch ein komisches Tragbild.
6.
Zylinderkopf.JPG

Die Löcher für die Stehbolzen im Zylinderkopf sind oben sehr oval und die Sitze für die Weicheisenscheiben total verdrückt. Die Sitze kann man sicherlich plan fräsen, aber kann man mit den ovalen Löchern leben? Ich denke das dies auch der Grund für die Einkerbung der Stößelstangen ist, da der Kopf nicht mehr genau mittig gesessen hat.
7.
Kolbenring.JPG
Nach dem ziehen des Zylinders sah ich, dass der ober Kolbenring in 6 Teile zerfallen war, Gott sei Dank ist mir nichts in den Motor gefallen, alle Teile saßen noch im Kolben. Gut das ich den Motor geöffnet habe, das wäre über kurz oder lang ein richtiger Motorschaden geworden. Auch die anderen Kolbenringe waren verschlissen. 1,3 und 2,7mm Stoßspiel. Der Kolben sah noch gut aus, hat aber doch 0,1-0,2mm Spiel im Zylinder. Der Zylinder hat keinerlei Kanten die auf ein Einlaufen hindeuten.
8.
Zylinder und Zylinderkopf sind nicht wirklich plan.

Ich weiß von anderen Motorrad Projekten das es immer schlimmer wird wie man zunächst angenommen hat, das war auch schon beim Fahrwerk so, aber das hatte ich doch so nicht erwartet, da der Motor eigentlich ganz gut lief und nur etwas undicht war! Und dabei habe ich die Kupplungsseite noch gar nicht aufgemacht, weil aus der Kupplungsschnecke auch Öl austritt. Vielleicht sollte ich auch noch die Lichtmaschine ausbauen und nach den Kohlen sehen………
Was würdet ihr machen? Neue Kolbenringe drauf und wieder zusammenbauen?
Da ich keine Heinkel Erfahrung habe, ist es vielleicht das Beste, Zylinder Kolben und Kopf an den Club zu schicken um es begutachten und reparieren zu lassen. Oder gibt es vielleicht im Raum Osnabrück einen Heinkelschrauber der sich die Sachen mal ansehen und ggf. unterstützen kann, das wäre natürlich super. Vielen Dank schon mal Teddy!
Grüße aus OS Werner
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heinkel-bernd
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Re: Jetzt wird doch eine Motorüberholung fällig

Beitrag von heinkel-bernd »

Servus Teddy,

Eisregen in Nordbayern :x Deshalb hänge ich in dieser Nacht komplett in meiner Werkstatt fest :(
Und so nutze ich die Wartezeit bis der Streuwagen fährt, für ein paar Tipps :wink:

- Stösselstangen: Vor einer Wiederverwendung beider Stangen rate ich ab !
Gefahr des Abknickens bei hoher Belastung.

- Bohrungen für Zuganker im Zylinderkopf: Diese Bohrungen sind auf der Brennraumseite i.d.R.
9 bis 10 mm groß und lassen den Kopf relativ "variabel" auf dem Zylinder sitzen :?
Um die Vergrößerung von zweien dieser Bohrungen im oberen Bereich würde ich mir keine
Sorgen machen. Durch eine probeweise Montage des Zylinderkopfes, der Kipphebel und der
Stösselstangen kann man sehen, ob die Stösselstangen genug Abstand zur Kante am Zylinder-
kopf besitzt. Wenn eine Metalldichtung oder eine Dichtung mit Kupferbrennsteg verwendet
wird, würde ich die evtl. störende Kante etwas abfeilen. bisher hat sie bei mir aber noch
nie gestört.
Stösselkontakt 1.JPG
Stösselkontakt 2.JPG
Stösselkontakt 3.JPG
.
Bevor der Zylinderkopf jedoch festgezogen wird, sollte man ihn mit ganz
leicht angespannten Muttern auf dem Zylinder hin und her drehen, bis man merkt, dass die
Zuganker keine seitliche Verspannung mehr aufweisen.

- Die Gleitflächen der Kipphebel sollten eben geschliffen werden, da sonst das Ventilspiel nicht
richtig eingestellt werden kann. Und fraglich ist, ob nach der Montage der Ventilschaft wieder auf
der gleichen Stelle auftrifft wie vorher.

- Das Auslassventil wurde überhitzt und dessen Teller hat sich dadurch tulpenförmig verformt :x
Ab in die Tonne damit !

- Kolbenringe: Die Zylinderlaufbahn hat an den Umkehrpunkten der Kolbenringe garantiert Ansätze,
der oberste Kolbenring beweist es. Wie vor der damaligen "Revision" die Lage des Zylinders war, ist
nicht feststellbar. Deshalb würde ich erst einmal einen geschliffenen Zylinder vom Club montieren
und den alten Kolben mit neuen Kolbenringen versehen. Mit einem neu geschliffenen Zylinder kann
man jetzt auch wieder mithilfe der Fußdichtung das Verdichtungsverhältnis beeinflussen :wink:
Viele heinkelige Grüße
BERND aus Bayreuth
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Teddy
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Re: Jetzt wird doch eine Motorüberholung fällig

Beitrag von Teddy »

Hallo Bernd, danke für deine schnelle nächtliche Antwort! So werde ich es dann machen. Jetzt werde ich aber erst noch den Kupplungsdeckel öffnen und sehen was da so undicht ist. Der Club hat ja auch noch Winterpause.
Grüße aus OS Werner
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Teddy
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Re: Jetzt wird doch eine Motorüberholung fällig

Beitrag von Teddy »

Moin Zusammen,
seit gestern läuft mein Tourist wieder und ich konnte bei dem guten Wetter gleich die erste Probefahrt machen.
Aber was habe ich alles gemacht; Nachdem klar war das Kolben und Zylinder an der Verschleißgrenze waren, habe ich sie zusammen mit diversen Dichtungen beim Club neu bestellt. Den Zylinderkopf hat mir freundlicherweise Heinkel_Bernd überholt, der ist natürlich top geworden. Zwischenzeitlich habe ich noch die Lima demontiert; was wie ihr auf dem Bild sehen könnt auch sehr nötig war. Die Kohlen waren fast hin und durch den defekten Dichtring war alles in Öl gebadet. Nach einer gründlichen Spülung mit Bremsenreiniger sah die Lima wieder gut aus. Sie hat noch neue Kohlen bekommen, der Fliehkraftregler wurde gereinigt und die M6 Schraube unter am Gehäuse wurde mit einem O-Ring (Tipp von Heinkel-Bernd) abgedichtet.
Lima.jpg
Auf der Kupplungsseite die auch sehr undicht war, habe ich den Seitendeckel demontiert und das Gummielement für den Druckstift und den Dichtring für die Schaltung erneuert. Sonst sahen Kupplung und Primärkette noch gut aus. Beim Zusammenbau habe ich die neue Deckeldichtung mit Dirco HT eingesetzt und neue Alu-Unterlegscheiben und Stop-Muttern verwendet.
Kupplung.JPG
Das man keine Möglichkeit der Ölundichtigkeit ausgelassen hat, sieht man beim Ölverschluß- Deckel mit Entlüftungsloch das ich pragmatisch erst mal zugelötet habe. Den Stutzen für den Entlüftungsschlauch habe ich noch auf 5,5mm aufgebohrt.
Ventildeckel.JPG
Gestern habe ich nun Kolben Zylinder und Kopf wieder zusammengebaut, und die Zylinderkopfschrauben mit neuen Weicheisenscheiben und Loctite222 abgedichtet. Als Zylinderkopfdichtung habe ich eine mit Kupferbrennsteg genommen und um den Stößelkanal noch Dico HT eingesetzt. Dann alles wieder zusammengeschraubt, die Zündung noch abgeblitzt, dem Benzin zum besseren Einlaufen noch etwas 2Taktöl beigegeben und den Motor gestartet. Die 30km Probefahrt lief problemlos, der Motor zog gefühlt unten herum etwas besser und hinterher war auch alles noch dicht.
Positiv erwähnen möchte ich noch die vielen im Forum gelesenen Tipps die ich rund um die Überholung verwenden konnte, die perfekte Ersatzteilversorung vom Club und nicht zuletzt die fachmännische Überholung des Zylinderkopfes durch Bernd.

Jetzt kann die Saison beginnen!
Grüße aus OS Werner
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ILO-Dienst
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Re: Jetzt wird doch eine Motorüberholung fällig

Beitrag von ILO-Dienst »

heinkel-bernd hat geschrieben: 03.01.2020, 06:35 - Stösselstangen: Vor einer Wiederverwendung beider Stangen rate ich ab !
Gefahr des Abknickens bei hoher Belastung.
Hallo heinkel-bernd {Eigenschreibweise},

ich möchte bei der Gelegenheit das Thema Stößelstangen aufgreifen: welches Material genau verwendet ihr für die Stößelstangen?
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heinkel-bernd
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Re: Jetzt wird doch eine Motorüberholung fällig

Beitrag von heinkel-bernd »

An Stösselstangen habe die ich Alu-Rohre selbst noch nicht erneuert :?
Gibt die GmbH, wie vieles, in Auftrag.

Habe aber eine halbierte hier, Werkstoffwerte habe ich leider nicht.
Es dürfte sich aber um sehr zähes Duraluminium handeln.
(wird auch verwendet als Käfigmaterial bei den Rollenlagern des Pleuels)

Das Stösselrohr hat die Abmessungen Durchm. x Wanddicke = 8,0 x 1,5
Viele heinkelige Grüße
BERND aus Bayreuth
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Teddy
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Re: Jetzt wird doch eine Motorüberholung fällig

Beitrag von Teddy »

Hallo Zusammen,
Ich führe diesen Tread mal weiter, weil dies die Fortsetzung meiner Motorüberholung ist. Die ersten 400Km lief der Motor gut, aber der Zylinder war nicht dicht. Eigentlich wollte ich nur die Zylinderkopfschrauben nachziehen, aber ich ahnte schon das es wieder eine größere Baustelle wird, denn schon beim Einbau konnte ich den rechten vorderen Stehbolzen nur mit 26NM anziehen. Jetzt beim Versuch die Muttern nachzuziehen, gab das Gewinden im Motorblock endgültig nach. Also habe ich Kopf, Zylinder und Kolben wieder demontiert.
Im Motorgehäuse wo eigentlich ein Gewinde sein sollte, konnte ich ein schönes rundes Loch sehen. Es hat 8mm Durchmesser, hoffentlich noch genug für einen Gewindeeinsatz!
Gewinde Stehbolzen.JPG
Beim Auseinanderbauen sah ich den neuen Kolben, er hat auf der Rückseite Fressspuren, aber keine tiefen Riefen. Und dass, obwohl ich auch noch etwas 2TÖl zusätzlich zum Bleifrei-Zusatz in den Tank geschüttet hatte.
Kolben.JPG
Wie man sehen kann, war der Zylinder am Kopf dicht, das Öl steht nur auf den unteren beiden Rippen und die Stehbolzen sind auch trocken.
Zylinder+Kopf.JPG
Ich habe den Eindruck, dass das Öl durch die Fußdichtung austritt, die hatte ich nicht zusätzlich mit Dirko HT abgedichtet.
Fussdichtung.JPG
Die Dichtfläche am Zylinderkopf und speziell am Stößelkanal war dank Verwendung von Dirko HT dicht. Leider hat die Zylinderkopfdichtung die Demontage nicht überstanden, da die oberste Schicht mit dem Dichtmittel verklebt war.
Dichtfläche Zylinderkopf.JPG
So, jetzt muss ich mal sehen ob ich jemanden finde, der ein Gewindereparaturset hat! Wie man das Gewinde senkrecht in das Loch bekommt ist ja im Beitrag "Stehbolzen- kein schöner Anblick" beschrieben. Hat noch jemand eine Idee, was ich mit den Fressspuren am Kolben machen soll?
Viele Grüße
Werner
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ILO-Dienst
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Re: Jetzt wird doch eine Motorüberholung fällig

Beitrag von ILO-Dienst »

Hallo,

das ausgerissene Gewinde ist kein Problem: Wenn das Loch für Helicoil schon zu groß ist (was ich aber gar nicht glaube) kannst Du immer noch eine ENSAT-Buchse einsetzen.

Die Fressspuren am Kolben musst Du auf jeden Fall wegschleifen.

Wichtig ist auch, dass Du den Zylinder kontrollierst, da darf nichts innen an der Wand vom Kolbenmaterial dran sein und wenn doch bitte nachhonen (lassen)!

Um die Wahrscheinlichkeit eines Klemmers oder Fressers in Zukunft zu verringern, kannst Du den Kolben auch beschichten lassen:

20200624_153603.jpg
Aber Vorsicht, es gibt unterschiedliche Qualitäten von Beschichtungen! Wenn das nicht gut gemacht wird, hält das nicht lange und ist eher kontraproduktiv.
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heinkel-bernd
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Re: Jetzt wird doch eine Motorüberholung fällig

Beitrag von heinkel-bernd »

Servus Teddy,
Beim Auseinanderbauen sah ich den neuen Kolben, er hat auf der Rückseite Fressspuren, aber keine tiefen Riefen.
Wie sieht denn die Zylinder-Laufbahn in diesem Bereich aus ?
War der Zylinder neu geschliffen, von wem und wann ? *
Woher war der neue Kolben und welches Fabrikat ?
Hatten / haben die Kolbenringe ca. 0,4 mm Stoßspiel im Zylinder ?

Die leichten Fressspuren lassen sich mit ganz feinem Schleifpapier "egalisieren" :x
(Kolbenringe vorher entfernen !)

P.S.: *
Die GmbH musste eine andere Zylinderschleiferei beauftragen :(
Aus diesem Grund sollte man am Anfang immer mal ein Auge auf deren Arbeit werfen :wink:
Mit dem Vorgänger gabe es m.W. ja überhaupt keine Probleme :D
Viele heinkelige Grüße
BERND aus Bayreuth
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Teddy
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Re: Jetzt wird doch eine Motorüberholung fällig

Beitrag von Teddy »

Hallo Zusammen, danke für das schnelle Feedback!
Einen Gewindereparaturset von Helicoil bekomme ich von einem Bekannten, das ist erst mal kein Problem.

Kolben von KS und den Zylinder habe ich im Januar 2020 vom Club bekommen.
Ich habe mir gerade noch mal Kolben und Zylinder genau angeschaut. Der Klemmbereich betrifft fast 1/3 der Kolbenbreite.
Kolben1.JPG
Am Kolben bekommt man das mit abschleifen ja noch hin, aber im Zylinder geht das über die gesamte Länge.
Zylinder1.JPG
Ich glaube da reicht es nicht das Alu wegzuätzen, der muss nachgearbeitet werden sonst wird das wieder fressen oder was meint ihr?
Da bin ich fast schon froh, das mir der Stehbolzen ausgerissen ist und ich so den Kolbenfresser bemerkt habe!

Ich werde auch mal den Club anmailen, ob die noch irgendwelche Erkenntnisse haben.

Gruß
Werner
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