Heinkel Tourist 103 A 2 für Urlaubsreise fit machen

[Murmillo]

Hallo liebe Heinkelgemeinde,

mein Name ist Sebastian, 30 Jahre alt und ich habe vor ein paar Jahren einen Heinkel Tourist 103 A2 Bj. 1963 von meinem Opa geerbt.

Bisher habe ich sehr viel hier im Forum lernen dürfen und einiges an meinem Heinkel reparieren können - vielen Dank dafür! Da ich zu meinem Anliegen kein passendes Thema gefunden habe, habe ich mir nun einen Account angelegt, um euch direkt um Rat fragen zu können.

Den Heinkel habe ich über die letzten Jahre soweit hergerichtet, dass er wieder fährt und TÜV besitzt. Bevor ich mich ihm angenommen habe stand er gut 25 Jahre in einer Garage.

Bisher habe ich folgendes erledigt:
- neue Reifen
- neue Hupe
- neuer Tank (der alte war durchgerostet)
- neuer Benzinhahn + Schlauch
- Vergaser gereinigt & Luftfilter erneuert
- alle Seilzüge getauscht
- Zündspule & Batterien erneuert
- neue Zündkerze
- neue Gummigriffe
- Motorölwechsel

Was ich noch erledigen möchte:
- Bremsbeläge erneuern
- Elektrik Steckverbindungen im Kofferkasten erneuern. (Diese sind teilweise sehr locker und ich möchte dabei die etlichen Einzelstecker in einem großen Stecker zusammenfassen)
- Öl des Kettenkastens wechseln

Wie im Titel erwähnt, plane ich diesen Sommer zusammen mit meiner Freundin mit dem Heinkel in den Urlaub zu fahren. Dabei soll es nach Skandinavien gehen. Insgesamt wird die Tour ca. 5000km umfassen.

Daher folgende Fragen an euch:
- Welche Sachen würdet ihr vorher unbedingt durchchecken? Mir ist klar, dass die Antwort hierzu vermutlich "alles" lauten wird, jedoch würde mich interessieren, was ihr als besonders wichtig erachtet.

- Hat eventuell jemand hier Erfahrungen mit größeren Touren und kann berichten, was sich unterwegs als besonders nützlich erwiesen hat? Ich denke dabei an Dinge wie besonderes Werkzeug, Ersatzteile, nützliche Helferlein oder ähnliches.

Schon einmal vielen Dank im Voraus für jeden Ratschlag und beste Grüße
Sebastian

[velorex350]

Servus Wast,
Stecker zum Kofferkasten, da gibt's viele Möglichkeiten, auch hier im Forum beschrieben.
Ich hab einfache Gehäuse für Kabelschuhe genommen. Funktioniert. Andere nehmen einen AMP oder auch Harting hab ich auch schon gesehen. Funktioniert alles, nur die Preislage ist anders.
Ansonsten fallen mir die Kohlenbürsten ein, zumindest mal kontrollieren.
Kette anschauen und vor allen sind im Öl gebrochene Rollen. Satz Seilzüge einpacken.
Was hat der Roller an Kilometern drauf?
Da kommt sicher noch viel.

[Rued]

Der Motor an sich wurde noch nicht erwähnt, wie isser denn so?
Öldicht , Ölverbrauch , Kupplung und Schaltung gut , Leistung , Zustand der Zündung (die Spule hast du ja schon) , Ventilspiel ??
Bei so einer Tour kann recht viel passieren mit dem guten, aber alten Boliden
Am besten wäre ein zweiter Motor zuhause, fertig verpackt zum Verschicken. Wieviel km hast du denn bisher mit ihm zurückgelegt? Wie alt sind Bremsen und Radlager? Ist der Auspuff noch standfest? Verkabelung nicht schon knochenhart?
Die Geschichte vom dankbaren Oldi, der immer läuft, ist nur dann kein Märchen bei märchenhafter Wartung, und auch dann isser schon sehr sehr alt.

[Peter Frey]

Hallo Sebastian,
Bei einer so großen Reise würde ich auch die Kohlen der Lichtmaschine ansehen (tauschen)
Ansonsten nur Mut, eine kleine Werkzeugrolle, einen Ersatzregler und eine aktuelle Mitgliederliste für den Notfall.
Fahrt Ihr mit zwei Rollern oder zusammen auf einem.
Schönen Gruß
Peter

[anh]

Wir haben unter unseren Mitgliedern auch einige Nordkap-Fahrer mit reichhaltigen Erfahrungen. Weniger ist mehr, dafür vorher den Roller alltagstauglich machen.

Und die ADAC Karte international nicht vergessen.

PS.: Die Mitgliederliste ist der DSGVO zum Opfer gefallen.

anh

[Peter Frey]

Und am besten vorher mal einen 600 km Wochenende Ausflug zu zweit mit Gepäck machen.
Damit bekommt man einen kleinen Vorgeschmack.
Schönen Gruß
Peter

[Murmillo]

Vielen Dank für euren Input, das bringt mich auf jeden Fall weiter!

Geplant ist tatsächlich zu Zweit auf einem Roller zu fahren. Autobahnen / Schnellstraßen wollen wir dabei - mindestens in Deutschland - meiden und gemütlich auf der Landstraße unterwegs sein. Ich kalkuliere dabei mit einer realistischen Reisegeschwindigkeit von ca. 70km/h.

Die Kohlen anzusehen bzw. erneuern werde ich in die To-Do Liste aufnehmen. Kilometerstand kann ich leider gerade nicht sagen (der Roller steht derzeit nicht bei mir). Geschätzt müssten es um die 40.000km sein.

Bezüglich Motor:
Ein zweiter Motor als Backup wäre natürlich traumhaft, ist aber leider nicht machbar
Der aktuelle läuft bisher tadellos. Zu Beginn hatte ich etwas Probleme mit einem sich selbstständig lösenden Mischkammereinsatz, was ich aber mittlerweile in den Griff bekommen habe. Zurückgelegt habe ich mit ihm aber auch erst ca. 2500km, sodass die Aussagekraft natürlich eingeschränkt ist.

Etwas Ölfeucht ist er, wobei ich das bisher mit dem Alter entschuldigt habe. Ölaustritt hatte ich am Einfülldeckel (hier hat ein neuer Deckel Abhilfe geschaffen) und am Peilstab (hier hat ein neuer O-Ring geholfen).
Aktuell tritt noch ein wenig Öl zwischen Ventildeckel und Block aus. Hier könnte man vermutlich mit einer neuen Dichtung Abhilfe schaffen. Da sich die Menge in Grenzen hält und ich nicht sicher bin, ob mir ein Dichtungswechsel nicht neue Probleme schafft (man weiß ja nie), habe ich bisher darauf verzichtet.
Den Ölverbrauch würde ich aktuell leicht über den angegebenen 0,5L/1000km im Bereich 0,6-0,7L/1000km sehen, was ich als verschmerzbar empfinde. Gerne kann man mich hier korrigieren

Zur Leistung kann ich ich mangels Messmöglichkeiten leider nichts handfestes sagen. Mit etwas Zeit und Anlauf kann man aber solo durchaus die 100km/h (zumindest laut Tacho ) knacken, sodass ich davon ausgehe, dass das soweit passt. Ansonsten fährt / schaltet er sich gut, sobald man den Dreh etwas raus hat.

Das Ventilspiel gehört noch gecheckt, da weiß ich leider aktuell nichts zu.

Bremsen & Lager
Bremsen und Radlager sind noch aus den 80ern oder sogar älter. Hier werde ich auf jeden Fall noch die Beläge erneuern. Gerne Ratschläge geben, was sich in dem Zuge noch anbieten, wenn man die Trommel sowieso in der Hand hat.
Vor den Radlagern habe ich mich bisher etwas gescheut, da ich nichts negatives feststellen konnte und ich den Austausch als relativ aufwändig im Kopf habe.

Auspuff
Der Auspuff hat am Endschalldämpfer (also am "Topf" und nicht am Verbindungsrohr) mehrere kleine Rostlöcher gehabt. Diese habe ich mit Reparaturbandagen + entsprechender Paste wieder dicht bekommen. Von einem komplett Austausch habe ich hier aus Kostengründen abgesehen.

Verkabelung
In der Tat sind die Kabel im Kofferkasten im Bereich über dem Motor schon hart.
Hier plane ich im Zuge der "Umrüstung" auf einen einzelnen Stecker jeweils das letzte Stück vor dem Stecker durch ein neues Kabel zu ersetzen. So wäre zumindest der Teil des Kabelbaums der regelmäßig durch das Auseinander und wieder Zusammenstecken einer Bewegung unterliegt wieder geschmeidig.
Natürlich wäre ein neuer Kabelbaum wünschenswert, jedoch muss ich aus Zeit und Budgetgründen Prioritäten setzen.
Vorne "unter der Haube" sind die Kabel noch in einem soliden Zustand.

Sobald die Temperaturen wieder etwas schöner sind, steht dann natürlich auch eine ausgiebige Testfahrt an!

Bezüglich Werkzeugrolle bin ich noch auf der Suche. Ich habe derzeit die Werkzeugrolle aus dem Shop ins Auge gefasst. Hat hiermit jemand Erfahrungen? Interessant wäre vor allem, ob evtl. noch ergänzendes Werkzeug sinnvoll ist, um für alle Fälle gewappnet zu sein.

Viele Grüße
Sebastian

[BerndSt]

Servus Sebastian,

5000km bei (vermutetem) Wartungsstau? Mutig! Respekt! (meine ich ohne Ironie)

Ich würde mir an Deiner Stelle als erstes die Montageanleitung und die Bedienungsanleitung durchsehen und vor der Reise alle darin aufgelisteten Wartungsarbeiten machen. Idealerweise nur mit dem Bordwerkzeug (sh. unten).

Zusätzlich und unbedingt: ADAC Gold-Mitgliedschaft. Damit kommen Du, Deine Freundin und der Heinkel im schlimmsten Fall wenigstens wieder nach Hause.

An Ersatzteilen würde ich mindestens mitnehmen: kompletter Satz Bowdenzüge, Unterbrecher und Kondensator, Prüflampe und Fühlerlehren, Ersatzzündkerze, Kabelbinder, Isolierband, Duct-Tape, Lüsterklemmen, Draht/Kabel, Schraubnippel (damit wären schon ein paar sehr ärgerliche "Liegenbleiber" abgedeckt). Taschenlampe! (nicht auf die Taschenlampenfunktion des Handys verlassen - wenn es "dicke" kommt ist es Nacht und der Akku am Handy ausgerechnet dann leer...). Dünne Arbeitshandschuhe (die wirst Du zu schätzen lernen, wenn Du das erste mal am Straßenrand schrauben musstest und hinterher keine Möglichkeit hast, die Pfoten zu waschen). Einen Lumpen/Lappen. Zwei Rettungsdecken (die dünnen Folienteile: stell Dir vor es ist eiskalt, Nacht, die Frau bibbert, der Heinkel steht und es kommt nur alle zwei Stunden ein anderes Fahrzeug vorbei). Ein kleines 1. Hilfe Päckchen (wenigstens ein paar Pflaster und Mullbinden - beim Schrauben unter erschwerten Bedingungen verletzt man sich schnell mal die Finger). Powerbank für's Handy (sh. oben, )

Und zwei Warnwesten. Die sind in manchen Ländern eh Pflicht und können unabhängig davon in der Nacht am Straßenrand Euer Leben retten.

Falls möglich und je nach Paranoia: Ersatz-Regler, Ersatz-Zündspule, etwas Zündkabel, Ersatz-Zündkerzenstecker, Ersatz-Glühbirnen, Ersatz-Sicherungen. Eine kleine Tube Dichtmasse. Superkleber ( ), einen Ventileinsatz für die Räder und das Werkzeug zum aus- und einschrauben.

Motoröl natürlich (zumindest einen "Notvorrat").

Da Du den Heidenau schlauchlos fährst: Notfallkit zur Reifendichtung. Evtl. einen Schlauch (dann aber auch Montiereisen - ist evtl. etwas übertrieben; sorge auf jeden Fall dafür, dass das Ersatzrad einsatzbereit ist!).

Als Bordwerkzeug idealerweise alles was Du brauchst, um den Roller am Straßenrand zerlegen und wieder zusammenbauen zu können.

Spaß beiseite: Schraubenschlüssel in den benötigten Größen (Gabel-Ring), eine gute Zange (WaPu ö.ä.), Flachzange, Spitzzange, Saitenschneider, Schraubendreher (Schlitz und Kreuz). Falls am Roller verbaut (vorher checken!): Inbusschlüssel. Ratsche, Verlängerung und Nüsse in allen benötigten Größen.

Meine Empfehlung: mal alles zusammenstellen was Du brauchst und die Wartung vor der Abreise nur damit durchführen (sh. oben). Dann merkst Du gleich, was im Bordwerkzeug noch fehlt.

Das klingt extrem viel - ist es aber nicht. Mein eigenes Bordwerkzeug ist noch ein wenig umfangreicher und passt problemlos in das "Handschuhfach" unter der Sitzbank.

Und getreu Douglas Adams' "Per Anhalter durch die Galaxis": Ein Handtuch mit der Aufschrift "Don't panic!"

Viel Spaß,
Bernd

[velorex350]

Kabelbinder, Tüddeldraht, 2m Kabel, Panzertape,Benzinschlauch, ein Paar Muttern. Und vor allem ÖL! Das von der Tanke ist das falsche.
Noch zum Werkzeug: Schau Dir ganz genau an, was für Schraubenantriebe in den letzten Jahrzehnten so an dem Roller verbaut wurden.
Bis heute kann ich die eine Torxschraube an der Zündapp nicht erklären und das hätte eine große Tour fast scheitern lassen.

[heinkel-bernd]

Servus Sebastian,

Geplant ist tatsächlich zu Zweit auf einem Roller zu fahren. Autobahnen / Schnellstraßen wollen wir dabei - mindestens in Deutschland - meiden und gemütlich auf der Landstraße unterwegs sein. Ich kalkuliere dabei mit einer realistischen Reisegeschwindigkeit von ca. 70km/h.

Die Kohlen anzusehen bzw. erneuern werde ich in die To-Do Liste aufnehmen. Kilometerstand kann ich leider gerade nicht sagen (der Roller steht derzeit nicht bei mir). Geschätzt müssten es um die 40.000km sein.

Viele Grüße
Sebastian

Da zum Prüfen/Tauschen der Kohlebürsten der Motor ausgebaut werden muss, würde ich bei dieser Gelegenheit auch gleich die
Kupplungsbeläge (Außenlamellen) erneuern
Die Kupplung beginnt immer dann zu "rutschen", wenn man nicht damit rechnet I.d.R. bei betriebswarmen Motor im 4. Gang mit
Vollgas bei leichten Steigungen. Der Motor dreht dann hörbar ungewöhnlich hoch, ohne den Roller weiter zu beschleunigen und beginnt damit
ohne weitere Vorwarnzeichen Und gerade mit Sozia ist die Belastung der Kupplung sehr hoch !
Die überalterten/verschlissenen Kupplungsbeläge lassen sich auch durch eine Dickenmessung nicht beurteilen, da eine "Verglasung" das Durchrutschen verursacht
Auch die Dichtkappe aus Gummi im KULU-Deckel hält nicht ewig.
Zu empfehlen ist auch die Führung eines Wartungshefts mit km-Stand und Datum, gerade beim Erneuern von Teilen, die später "im Verborgenen" bleiben Aber nicht nur Arbeiten an LIMA-Kohlen, KULU-Beläge und Primärkette sind später dort nachzulesen; Auch Ölwechsel, Neureifen,
Zündkerze u.v.m werden eingetragen.
Und wie BerndSt schon anmerkt: Die Montageanleitung ist Pflichtlektüre für Heinkelschrauber !!!!! Das Forum soll hier nur als Ergänzung bei technischen Problemen und Unklarheiten dienen.

Zu unterwegs gerissenen Bowdenzügen noch ein Tip zum Behelf:
Zu den Stahlzügen, die sich unterwegs leicht austauschen lassen gehört der KULU-Zug und der Gaszug, die es (ohne Hülle) im Shop zu kaufen gibt.
Für den KULU-Zug wird noch ein Schraubnippel benötigt und für den Gaszug wurde hier erst diskutiert:
viewtopic.php?t=4794
Für einen Bremsbowdenzug würde ich aus Sicherheitsgründen keine Notreparatur empfehlen(Einer von beiden muss ja funktionieren)
und bei den Schaltbowdenzügen muss zum Auswechseln der Innenzüge die gesamte Schaltmechanik zerlegt werden, was gerade für unterwegs
sehr viel Geschick und Fachkenntnis erfordert

Jetzt wünsche ich viel Erfolg bei der Instandsetzung und Viel Glück bei Euerer Gewalttour